Heimat - und Geschichtsverein
Hainburg e. V.

Die ehemalige St. Wendelinus Kirche am Dalles

in Hainburg-Hainstadt

- ein lang vergessenes Gotteshaus -

Nur wenig war bisher über die alte St. Wendelinus Kirche in Hainburg-Hainstadt bekannt.
In den Matrikeln der Pfarrei St. Johann Baptist in Steinheim am Main sind im 17. Jahrhundert die Taufen / Trauungen / Beerdigungen aufgeführt, die in ihr stattgefunden haben. Auf einem Katasterblatt aus dem 19. Jahrhundert im Gemeindearchiv Hainstadt und einem Kupferstich von Herrn Dr. Ing. Keck der auf diesem historischen Kataster basiert, ist zwar ihre Lage, aber ihr tatsächliches Aussehen nicht dokumentiert. Es gibt keinerlei Zeichnungen oder Gemälde mit ihrem Abbild.

So machten sich einige Mitglieder des Heimat- und Geschichtsverein Hainburg e.V. im Jahr 2014 auf die lange Suche nach hinterlassenen Spuren.


[Gemeindearchiv Hainstadt am Main - Katasterblatt]


[Kupferstich von Dr. Ing. Lothar Keck © Familie Keck]

Erwähnung in der Dokumentation „65 Jahre Katholische Pfarrgemeinde Hainstadt“

„Die Verehrer des hl. Wendelin waren und sind vornehmlich in bäuerlich-ländlichen Regionen zu finden, wo man bis heute die meisten ihm geweihten Kirchen und Kapellen findet. Es ist besonders der Bauer und Viehzüchter, dessen Arbeit durch ungünstige Witterungseinflüsse, Krankheiten und Seuchen gefährdet ist.

Eine gute Ernte und ein gesunder Viehbestand sind sein ganzer Besitz. So auch muss man die Entscheidung unserer Vorfahren in Hainstadt sehen, von denen berichtet wird, dass sie neben der Landwirtschaft eine ausgedehnte Viehzucht betrieben. Die erste historisch belegte Kapelle auf Hainstädter Gebiet war dem hl. Wendelin geweiht.“

Anfragen und Suche in Archiven blieben erfolglos:

  • Bischöfliches Archiv Mainz
  • Diözesanarchiv Würzburg
  • Kath. Dekanatarchiv Dieburg
  • Stadtarchiv Dieburg
  • Kath. Pfarramt Dieburg
  • Kreisarchiv Darmstadt-Dieburg
  • Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
  • Kirchenarchiv St. Johann Baptist in Hanau-Steinheim
Auch eine Überprüfung der Pfarrakten der Pfarreien Groß-Steinheim und Klein-Krotzenburg hat leider keine Hinweise auf Unterlagen ergeben, die die Geschichte der alten St. Wendelinus Kirche dokumentieren.

War die alte Kirche aus Stein gemauert oder im Fachwerkbau errichtet?
Eine andere historische Quelle erwähnt eine darin aufgestellte Statue der Heiligen Barbara.

Erste Nachweise im ortseigenen Gemeindearchiv

Erst im Gemeindearchiv Hainstadt am Main fanden sich im Konvolut über den Kirchenneubau auch einige Dokumente, die sich auf die alte Kirche bezogen. Daraus ging hervor, dass sich das Kirchengebäude samt Mobiliar im Besitz der weltlichen Gemeinde befand.

Am 28. April 1837 schrieb Kaplan Eisenhauer im Namen der Kirchenvorstandsmitglieder an den Großherzoglichen Kreisrat in Offenbach:

„Da die Kirchenorgel von Hainstadt übel zugerichtet ist, so daß darauf häufige Ruckungen und Störungen im Kirchengesange veranlaßt werden; so wendet sich hiermit der Kirchenvorstand an den Großherzoglichen Hessischen Kreisrath um die Genehmigung der Reparierung derselben nachzusuchen.“

Im weiteren Briefwechsel in dieser Angelegenheit ist auf dem Schreiben des Bürgermeisters Korb ein Vermerk vom übergeordneten Pfarramt Steinheim, dass Kirchen- und Ortsvorstandsmitglieder zu Hainstadt entscheiden sollen, ob

„eine ganz neue Kirche mit neuer Orgel gebaut werden soll in einigen Jahren, weil die bestehende Kirche baufällig, dunkel vom Altern, thürenwankend und zu eng ist. Oder ob mit der Reparatur der Orgel alles gethan ßeyn soll.“


[Gemeindearchiv Hainburg-Hainstadt]

Entscheidung für einen Neubau

Bereits 1840 muss die Entscheidung für einen Neubau gefallen sein, weil Bürgermeister Korb vom Großherzoglichen Kreisrat zu Offenbach aufgefordert wurde, zuerst die Kirchenkapitalien zu regeln und zu sichern.


[Gemeindearchiv Hainburg-Hainstadt]



Bau und Einweihung der neuen Ortskirche

Der Baubeginn der neuen Ortskirche St. Wendelinus war im Jahr 1846. Die vom Großherzoglichen Bauamt veranschlagten Kosten beliefen sich auf 24.000 Gulden.
Der oder die Namen der Architekten sind leider nicht überliefert. Bis zur Fertigstellung und Einweihung des Neubaus am 15. Oktober 1848 durch den Steinheimer Dekan Englert wurde die alte Kirche weiterhin genutzt (fl = Florint = Gulden = 60 xr oder nur x = Kreuzer).

Versteigerung der alten Kirche

Am 18.06.1849 erschien im Wochenblatt für den Regierungsbezirk Dieburg folgende Anzeige:



Bei dieser 1. Versteigerung am 25. Juni 1849 konnte kein Käufer gefunden werden. Vor dem nächsten Versteigerungstermin am 02. April 1850 wurde eine genaue Wertaufstellung gemacht:

Taxation durch Bauaufseher Gieles von Steinheim

Abschrift des Dokumentes aus dem Gemeindearchiv Hainstadt Konvolut 1309:

Taxation
der alten Kirche nebst Mobilien in derselben,
welche auf den Abbauh Verkauft werden soll
in der Gemeinde Hainstadt

Die verschiedenen Gegenstände werden in Loosen ein dieselben
hier folgen und taxiert sind versteigert









Aufgestellt im Auftrag des Gr. Bürgermeisters zu Hainstadt
durch unterzeichneten Bauaufseher
Steinheim, den 2ten July 1849
Gieles Bauaufseher

Kaufvertrag mit Michael Groß

Abschrift des Dokumentes aus dem Gemeindearchiv Hainstadt Konvolut 1309:



Laut Grundbucheinträge verblieb das Gebäude weiterhin im Besitz der Gemeinde.
Michael Groß, Hainstädter Bürger, geb. am 02.07.1820 verstarb bereits 12.11.1854 in Hainstadt. Vielleicht verhinderte eine Krankheit den Abschluss des Kaufvertrages?
In den Kassenbüchern der Gemeinde Hainstadt ist kein Zahlungseingang der Kaufsumme von 190 Gulden zu verzeichnen.
Am 25. Mai 1849 wurden nur 66 Gulden 9 Kreuzer für Mobilien aus der alten Kirche eingenommen.


[Gemeindearchiv Hainburg-Hainstadt]

Ankauf des Altars durch Herrn Pfarrer Koerber

Laut einer Einnahme-Anweisung vom 5ten Oktober 1852 hat Pfarrer Koerber den Altar der alten Kirche für die katholische St. Nikolaus Kirche in Klein-Krotzenburg gekauft.

„für 10 Gulden für einen überflüssigen Altar aus der alten Kirche in Hainstadt zum Gebrauche in der Kirche zu Kleinkrotzenburg“


[Gemeindearchiv Hainburg-Hainstadt]

Endgültiger Abbruch

An gemeindeeigenen Gebäuden wurden im Geschäftsbuch der Gemeinde im Jahr 1854 neben Schul-, Armen- und Backhaus noch beide Kirchen aufgeführt. In den Jahren 1856, 1858 und 1860 wird der Wert der alten Kirche mit 50 Gulden angegeben.
Im Verzeichnis und Schätzung Gemeindevermögen im Jahr 1861 steht:
Bemerk: Die alte Kirche ist durch Abbruch entfernt

Baugrube der alten Kirche wird verfüllt

Am 27.07.1861 bestätigt Andreas Kämmerer aus Hainstadt den Erhalt von „2 Gulden und 48 Kreuzer für sieben Fuhren Sand und Kies zu fahren an den alten Kirchplatz zum Auffüllen.“



Markierung und Aufstellung einer Infostele

Im Jahr 2014 machten sich Herrn Bauer und Herr Ritter daran die, im Katasterblatt genannten, Maße von Klafter in Meter umzurechnen. Die genaue Lage der alten Kirche wurde eingemessen und, mit Erlaubnis der Gemeinde Hainburg, die Ecken des Gebäudes mit Farbpunkte auf dem Pflaster markiert.

In den folgenden Jahren wurden mit dem Bürgermeister, dem Bau- und Ordnungsamt der Gemeinde und dem Hausbesitzer Herrn Groß-Venhaus die Markierung und die Aufstellung einer Stele besprochen und genehmigt. Im Auftrag des Heimat- und Geschichtsvereins Hainburg e.V. verlegte die ortsansässige Baufirma Laber im Frühjahr 2017 kleine Messingleisten an den Eckkanten des ehemaligen Gebäudes und errichtete eine Metallstele mit einer Infotafel.



Wie man der Taxationsliste des Bauaufsehers Gieles von 1849 entnehmen kann, bestand der Kirchenbau unter anderem aus 11.060 Dachziegeln, 3200 lfd. (Klafter?) Tannenholz, 900 lfd. (Klafter?) Eichenholz und 6 Kubik Klafter Mauersteine.
Das lässt den Schluss zu, dass das Gebäude, zumindest teilweise, als Fachwerkbau errichtet worden war.

Vielleicht hatte es eine entfernte Ähnlichkeit mit der kleinen St. Wendelin-Kirche in Mömbris-Brücken im Kahlgrund